Glaubenspraxis im Islam: „Hadj – Eine spirituelle Reise“

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Hadj - Eine spirituelle Reise

Im Rahmen unseres Projektes „Islam kompakt – Muslim:innen erzählen“ haben wir am 13.06.2023 kurz vor der Pilgerzeit zum Gesprächsabend „Hadj – Eine spirituelle Reise“ mit Frau Kübra Dalkilic eingeladen. In dieser Reihe wurden die fünf Säulen des Islams thematisiert. Diese Veranstaltung war die zweite in dieser Reihe.

Frau Dalkilic ist islamische Theologin und eine der drei Podcasterinnen von „331 – 3 Frauen, 3 Religionen, 1 Thema“, der interreligiöse Podcast des House of One. Des Weiteren ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forum Dialog e.V. Darüber hinaus wirkt sie im jüdisch-muslimischen Projekt „meet2respect“ mit und besucht Schulklassen.

Die Hadj ist eine der fünf Säulen des Islams und bezieht sich auf die Pilgerfahrt nach Mekka, die Muslim:innen einmal im Leben ausführen sollen, sofern sie dazu körperlich und finanziell in der Lage sind. Die Hadj-Pilgerfahrt findet jedes Jahr im Monat Dhul-Hidja statt, dem zwölften Monat des islamischen Kalenders. Dieser Monat begann dieses Jahr am 19. Juni.

Frau Dalkilic erläuterte die einzelnen Stationen während der Hadj-Pilgerfahrt und erzählte die Hintergründe zu diesen Orten. Besonders spannend war es, sich ihre eigenen Eindrücke während ihrer kleinen Pilgerfahrt – der Umra – anzuhören. Den Einstieg machte sie mit einigen Koranversen zum Thema: In der Sure el-Hadj werden die Gläubigen in den Versen 26-28 eingeladen, die Kaaba zum Pilgern zu besuchen:

„(Gedenke der Zeit) als Wir Abraham das Gelände für das Haus (die Kaaba) als Andachtsstätte zuwiesen: „Stelle Mir keinesfalls irgendwelche Teilhaber zur Seite, und halte Mein Haus rein für diejenigen, die es in Hingabe umrunden, und jene, die dort im Gebet stehen werden […].“ Und rufe alle Menschen öffentlich zu der Pilgerfahrt auf, […] damit sie selbst all den Nutzen sehen, der sie dort erwartet, und damit sie während der bekannten, festgesetzten Tage ihre Opfertiere, mit denen Gott sie versorgt hat, darbringen, indem sie Gottes Namen darüber aussprechen. So esst von ihrem Fleisch, und speist die in Not Geratenen, die Armen.“

Frau Dalkilic verdeutlicht, dass in diesen Versen Gott die Menschen zur Pilgerfahrt einlädt. Der Pilgernde folgt der Einladung Gottes. Diese Reise ist eine Begegnung mit Gott. Mit diesem Bewusstsein geleitet sei der Besuch der Kaaba eine besondere Erfahrung. „Es sind Stätte, die man lange ersehnt“, beschreibt sie weiter. Wenn man die historischen Ereignisse hierzu kennt, und die Geschichten, die über diese Orte erzählt werden, werde es eine intensive, emotionale und spirituelle Reise.

Weiterhin gibt es bestimmte Stationen und gewisse Rituale, die während der Pilgerfahrt besucht und vollzogen werden.

Der Weihezustand (arab. Iḥrām) ist sowohl ein bestimmter, spiritueller Zustand als auch ein bestimmter Kleidungsstil, letztere gilt für Männer. In diesem Zustand sind gewisse Handlungen untersagt. Beispielsweise darf man sich nicht die Haare trimmen, die Nägel schneiden, Parfum auftragen, aber auch keine Pflanzen pflücken oder Tiere töten.

Das Umkreisen der Kaaba (arab. Tawaf) ist ein weiterer Bestandteil der Pilgerfahrt. Wie dieses Umkreisen aussieht, zeigte Dalkilic anhand eines Videos, das sie eigens während ihrer kleinen Pilgerfahrt aufgezeichnet hatte. Die Pilgernden umkreisen die Kaaba gegen den Uhrzeigersinn. Ein Tawaf hat sieben Umkreisungen. Hat ein Pilgerer die Kaaba sieben mal umrundet, hat er einen Tawaf vollendet. Im Anschluss an diesen Tawaf laufen die Pilgerer zwischen den Hügeln Safa und Merwe, die sich in unmittelbarer Nähe befinden, sieben mal hin und her.

Als nächste Station erzählt Frau Dalkilic vom Ort Arafat. Es gäbe Überlieferungen, die besagen, dass Adam und Eva, nachdem sie aus dem Paradies auf die Erde geschickt wurden, sich nach einer Weile des Umherirrens am Arafat wiedergefunden haben. Am 8. Dhul-Hidja begeben die Pilgernden sich in Richtung Arafat. Am Arafat angekommen, verweilen die Pilgernden dort bis zum 9. Dhul-Hidja und beten.

Nach der Zeit in Arafat pilgert man weiter nach Muzdalifa. Den Abend verweilen die Pilgernden betend und gedenken dort. Ab Mitternacht laufen sie weiter in Richtung Mina. Ab dem Morgen findet dort der Steinwurf statt. Danach begeben sie sich wieder zur Kaaba, zum Masdjid el-Haram. Das ist dann auch schon der erste Tag des Annäherungsfest (auch als Kurbanfest oder Opferfest bekannt). Die Kaaba wird zum Abschied nochmal umkreist. Dann tritt man aus dem Weihezustand aus, indem mindestens eine Strähne vom Haar abgeschnitten wird. Außerdem wird das Kurban-Tier geopfert und dessen Fleisch an Bedürftige und Arme verteilt. Somit wird das Pilgern abgeschlossen.

Nach diesem umfassenderen Teil, in dem Frau Dalkilic den Ablauf und die Stationen der Hadj-Pilgerfahrt näher erläutert hat, begann der zweite Teil: Frau Dalkilic erzählt zu einigen Ritualen und Orten die historischen Ereignisse, an die mit ihnen erinnert wird.

Sie berichtet von der Gründung Mekkas und dem Ritual des Laufens zwischen den Hügeln Safa und Merwe: Abraham und Sarah hatten keine Kinder bekommen und waren schon im fortgeschrittenen Alter. Sarah wollte, dass Abraham Hagar, ihre Magd, heiratet und somit Vater werden kann. Hagar wurde bald schwanger mit Ismael. Als Ismael noch ein Säugling war, erhielt Abraham von Gott den Auftrag, Hagar und ihren gemeinsamen Sohn Ismael in die Wüste zu bringen. Nach einem gemeinsamen Aufenthalt ließ Abraham sie dort mit einem Behälter voll Wasser und einem Ledersack voller Datteln zurück. Als Abraham begann, fortzugehen und sie zurückzulassen, folgte Hagar ihm und fragte, wohin er denn gehe. Abraham lief stumm weiter, sodass Hagar ihn fragte, ob Gott ihm das befohlen habe. Abraham bejahte diese Frage und sagte, dass er sie der Obhut Gottes überlasse. Dies genügte Hagar als Antwort und sie begab sich zu ihrem Sohn. „Gott wird einen Plan für sie haben, dachte sie sich“, führte Dalkilic die Geschichte fort. Doch bald war das Wasser ausgetrunken und die Datteln aufgegessen. Hagar und auch Ismael wurden unruhig, durstig und hungrig und Hagar konnte nicht tatenlos sitzen. In ihrer Nähe sah sie die beiden Hügel Safa und Merwe und mit der Hoffnung, die Umgebung besser sehen und Hilfe finden zu können, rannte sie zwischen den Hügeln hin und her. Dies wiederholte sich sieben Mal. Ismael lag indessen zwischen den Hügeln. Während sie lief, strampelte das Baby Ismael mit den Füßen in den Sand und an dieser Stelle begann Wasser zu sprudeln. Als Hagar dieses Wunder sah, rannte sie zu ihrem Kind und trank einerseits von dem Wasser und hatte andererseits die Sorge, dass das Wasser davon fließen würde und rief „Zem zem“, was so viel wie „Stopp, stopp“ bedeutet. Hagar und Ismael hatten nun fließendes Wasser und waren gerettet. Kurze Zeit später zogen zunächst Karawane an ihnen vorbei und füllten ihre Wasservorräte und mit der Zeit ließen sich Menschen in dieser Umgebung nieder. Somit begann sich die später als Mekka bekannte Stadt zu entwickeln.

Die Jahre vergingen und Ismael wuchs zu einem Jugendlichen bzw. jungen Mann heran. Abraham besuchte Hagar und Ismael hin und wieder und verweilte bei ihnen. Und bei einem dieser Besuche Abrahams errichten Vater und Sohn die Kaaba, so heißt es im Koran:

“Und (gedenke auch der Zeit), als Abraham, und Ismael, die Grundmauern des Hauses errichteten. (Und sie beteten): „Unser Herr, nimm (dieses Werk) von uns entgegen. Denn wahrhaftig, Du bist Der Hörende, Der Wissende.“ (al-Baqara, 2:127).

Diese Geschichte wird zum Teil im Koran und zum Teil in den prophetischen Überlieferungen erzählt. Wenn die Pilgernden heute sieben Mal zwischen den Hügeln Safa und Merwe laufen, tun sie das in Erinnerung an Ismael und Hagar, die in Not, aber voller Hoffnung und Zuversicht sich um ihr beider Überleben bemüht. Das Quellwasser entspringt bis heute und wird Zemzem genannt. Pilgerer trinken in Mekka reichlich von diesem Wasser und bringen einige Liter auch mit nach Hause, um ihren Familien und Freunden von diesem gesegneten Wasser kosten zu lassen.

Am Ende ihres Vortrags erzählte Frau Dalkilic von der Bedeutung der Stadt Medina. Obwohl ein Besuch dieser Stadt nicht Bestandteil der Pilgerfahrt ist, besuchen Pilgernde sie und bleiben einige Nächte in Medina. Der Grund dafür ist, dass sich das Grab des Propheten Muhammed dort befindet. Es ist ein Zeichen der Treue zum Propheten und eine nicht zu verpassende Gelegenheit.

Zuletzt verteilte Frau Dalkilic Datteln an die Gäste, die sie einige Monate zuvor von ihrer kleinen Pilgerfahrt mitgebracht hatte.

Veranstalter

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Referentin

Frau Kübra Dalkilic 
Islamische Theologin, Podcasterin

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