Zusammenfassung der Veranstaltung am 09.10.18 im Forum Dialog
Referent & Autor: Yasin Cakir
Prävention wird in der heutigen Extremismusforschung allgemein als „Vorbeugung gegen künftige Delikte“ übersetzt und wird in der Regel in drei Formen unterteilt. Die universelle Prävention, die beratende und betreuende Intervention und die Deradikalisierungsarbeit.
In der islamischen Lehre und damit auch im Leben des Propheten Mohammed ﷺ stellt Prävention eine grundlegende Lebenseinstellung dar und ist damit auch als eine Sunna Mohammeds ﷺ zu klassifizieren. So sieht man in den Überlieferungen zum Leben des Propheten präventive Herangehensweisen gegen die Desozialisierung von Individuen und eine eventuell sich daraus entwickelnde Radikalisierung.
Begrifflichkeiten
Der Prophet und seine Handlungen dienen nach islamischer Lehre als Rollenmodell und stellen somit einen Link zwischen der Theorie und Praxis des gelebten Islams dar. Seine Handlungen, Worte und Zustimmungen werden in diesem Sinne als Sunna, also als Tradition des Propheten rezipiert.
Wie auch in der Einleitung beschrieben ist Prävention als vorbeugende Maßnahme gegen extremistische bzw. radikalisierende Gedankenmuster zu verstehen. Diese Maßnahmen richten sich in Vorträgen, Seminaren und Fortbildungen an die Gesamtgesellschaft und sollen die Sensibilität und Empathiekompetenz der Teilnehmenden gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Denkformen steigern. In der Beratungs- und Betreuungsarbeit wiederum richtet sie sich an den Bedarf des Individuums. Hier möchte fallorientiert aufgeklärt werden. Problemstellungen werden individuell aufgenommen und je nach Stadium des Radikalisierungsprozesses werden unterschiedliche Tools angewendet.
An dieser Stelle ist auch der Diskurs in der Extremismusforschung zu beachten, da zwischen radikal und extrem unterschieden wird, und somit bestimmte Definitionen diesen beiden Begriffen auferlegt werden. Dem Verfassungsschutz zufolge wird etwas als ‚extremistisch‘ eingestuft, wenn von einem Individuum oder einer Gruppe Handlungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung ausgehen. Ein anderer wichtiger Diskurs an dieser Stelle ist der Gebrauch von den Begriffen Extremismus und Radikalismus. Hier wird beispielsweise das Wort ‚Extremismus‘ vermieden, da dieser für manche Forscher einen abgeschlossenen Prozess darstelle. Stattdessen spricht man von einem Radikalisierungsprozess, der als weiterlaufender Prozess verstanden wird.
Relevanz des Themas
Die meisten derzeit laufenden Präventionsprojekte werden aus einer Außenperspektive durchgeführt. Somit besteht eine große Lücke an Projekten, die durch einen inner-muslimischen Diskurs motiviert werden. Da Radikalisierungsprozesse mit Abschottung und Desozialisierung einhergehen, ist es nicht gerade dienlich, dass die Beratungs- und Betreuungsarbeit in Projekten überwiegend aus einer externen Perspektive angeboten wird. Dies führt insbesondere dazu, dass sich die Klienten zu einem vermeintlichen Eigenschutz weiter abschotten und somit eine aufrechte und warme Beziehung zum Betreuer erst gar nicht entsteht. Durch die inner-islamische Begründung sollen radikalisierte bzw. sich radikalisierende Klienten in ihren eigenen Denkmustern abgefangen und durch neue Denkanstöße zu neuen demokratiefördernden Herangehensweisen motiviert werden. Dass Mohammed die höchste religiöse menschliche Instanz darstellt und vom Koran als ‚Rollenmodell‘ (Koran 33:21) bezeichnet wird, bildet eine wichtige Grundlage, um seine Persönlichkeit und seine Handlungen für neue inner-islamische Präventionsansätze zu nutzen.
Grundpfeiler der Präventionsarbeit
Die Grundpfeiler der Präventionsarbeit können in vier Aspekte unterteilt werden: Kontakt, Gendersensibilität, interreligiöse und interkulturelle Sensibilität sowie Reintegration.
Kontakt:
Es wird versucht ein Beziehung zum Klienten herzustellen. Außerdem ist es von großer Wichtigkeit den Betroffenen zu überzeugen von Fremd- und Selbstgefährdung abzusehen.
Gendersensibilität:
Insbesondere der Respekt und der faire und rechtlich akzeptable Umgang mit dem anderen Geschlecht, sowie ein flexibles Rollenverständnis von Mann und Frau, sind zu sensibilisierende Aspekte in der Gendersensibilität.
Interkulturelle und interreligiöse Kompetenz:
Um die interkulturelle und interreligiöse Kompetenz der Betroffenen zu steigern, ist Dialogfähigkeit, Entwicklung von Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Andersgläubigen von essenzieller Wichtigkeit.
(Re-)integration:
Ein letzter Punkt ist die Zukunftsplanung und (Re-)sozialisation des Klienten jenseits der ideologisierten Welt ein grundlegender Schritt, ohne den kann die Präventionsarbeit bei radikalisierten Klienten, die sich von einem bestimmten Milieu nicht loslösen können, niemals ganz abschließen.
Präventive Maßnahmen aus dem Leben Mohammeds
Abschließend kann gesagt werden, dass im Lichte der vier genannten Grundpfeiler genügend Beispiele aus dem Leben des Propheten gefunden werden können, die ein positives Beispiel repräsentieren und die als Grundlage für neue inner-muslimische Präventionsmaßnahmen dienen können.