Weihnachten für alle?

Muss der Weihnachtsmann unbedingt vorbeikommen, um Weihnachten feiern zu können?

Als ich in der Grundschule war, fragten meine MitschülerInnen, ob der Weihnachtsmann bei uns MuslimInnen auch vorbeikommen würde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich ehrlich gesagt darüber nie nachgedacht. Ich antwortete, dass wir kein Weihnachten feiern und er deswegen nicht kommen würde. Aber beim Wichteln in der Schule, beim Backen von Plätzchen oder beim Singen von Weihnachtsliedern machte ich begeistert mit. Ich esse und habe auch damals wahnsinnig lieb Lebkuchen oder Spekulatius gegessen. Auch besuche ich den Weihnachtsmarkt und bewundere die schön beleuchtete Stadt und die bunten Schaufenster. Zwar bekomme ich keine Geschenke an Weihnachten, aber dadurch, dass an Weihnachten Ferien sind, ist das eine gute Gelegenheit, Beisammen mit der Familie zu sein. Auch wenn der Weihnachtsmann mich nicht besuchen kommt, finde ich die Weihnachtszeit trotzdem sehr schön.

Aber was genau bedeutet denn nun Weihnachten für MuslimInnen? Im Folgenden möchte ich dieser Frage nachgehen.

Weihnachten ruft viele Assoziationen hervor. Jeder nimmt Weihnachten anders wahr und begegnet es  auch dementsprechend. Der religiöse Anlass für Weihnachten ist die Geburt Jesu, weshalb Weihnachten auch als christliches Fest gilt. Im islamischen Festkalender ist Weihnachten zwar nicht zu finden, jedoch sagt dies nichts über die Stellung der Geburt Jesu im Islam aus. Jesus (Friede und Segen seien mit ihm) ist einer der wichtigsten Propheten im Islam und seine Geburt, sowie seine Mutter Maria spielen eine sehr wichtige Rolle. Von der Geburtsgeschichte wird sogar im Koran erzählt. Die koranische Geburtsgeschichte hat sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede zu den Erzählungen im Matthäus- und Lukasevangelium.

Abgesehen davon, ob es Unterschiede gibt oder nicht: Die wundersame Geburt Jesu ist Tatsache (unabhängig davon, ob er am 24. Dezember oder an einem anderen Datum geboren worden ist).  Somit ist das ein Anlass, sich zu freuen und die Freude zu teilen. Heißt denn nun aber „Freude teilen“ gleich Weihnachten feiern?

Diese und ähnliche Fragen werden in vielen inner-muslimischen Kreisen gestellt und vor allem, wie mit den Symbolen (z.B. Weihnachtsbaum, Adventskalender, Adventskranz, etc.) umgegangen werden soll. Dadurch, dass in Deutschland die Mehrheitsgesellschaft christlich geprägt ist, spiegelt sich die weihnachtliche Stimmung überall wieder. Sei es durch die Weihnachtsbäume, die Adventskalender oder den diversen Weihnachtsschmuck. Die schön geschmückten Häuser und Vitrinen und die tollen Geschenke ziehen natürlich am meisten die Kinder an. Die muslimischen Kinder sind ebenfalls fasziniert von dieser Zeit. Auch sie wollen Geschenke bekommen. Denn in ihren Freundeskreisen oder in der Schule wird im ganzen Dezember „Weihnachten“ thematisiert und jeder erzählt von seiner Wunschliste und davon was es letztes Jahr zu Weihnachten gab. Dadurch entstehen neue Fragen. Fragen wie: „Soll ich mein Kind zu Weihnachten beschenken?“, „Soll ich mein Haus weihnachtlich dekorieren?“, „Darf man als MuslimIn Weihnachten feiern?“ etc. Mit solchen Fragen sind die muslimischen Eltern jedes Jahr konfrontiert. Wie sollte man vorgehen?

Prinzipiell gilt; Jede/r ist frei in dem, was er/sie tun und machen möchte. Jedoch kann nochmals unterstrichen werden, dass Weihnachten kein muslimisch fundiertes Fest ist. Dies schließt aber nicht aus, dass man im Dezember keinen Schoko-Adventskalender kaufen darf. Weihnachten ist ein religiöses Fest, aber nur, weil man Schokoladen-Weihnachtsmänner kauft, beim Klassen-Wichteln teilnimmt oder Plätzchen backt, kommt man nicht vom Glauben ab. Für MuslimInnen ist es wichtig, dass Ihre Kinder wissen, dass aus muslimischer Sicht an dem Tag die Geburt des Propheten Jesus (Friede und Segen seien mit ihm) gefeiert wird und nicht die Geburt des Sohn Gottes. Dies ist der eigentliche Grund, weshalb sich MuslimInnen von Weihnachten distanzieren. Auf der einen Seite ist die Distanzhaltung und auf der anderen Seite ist das Interesse des Kindes vorhanden, welches zu einem Dilemma für muslimische Familien wird. Wenn also muslimische Familien nicht möchten, dass ihre Kinder sich an Weihnachten vernachlässigt oder gar ausgeschlossen fühlen, so wäre ein Vorschlag, dass sie die erwartete Freude ihren Kindern an muslimischen Festen geben. So denke ich, dass jedes Kind glücklich sein wird, egal ob zu Weihnachten oder zum Annäherungsfest (auch bekannt als Opferfest).

Was jedoch viel wichtiger ist, ist die gegenseitige Respektzuweisung. Das Fest des Gegenübers zu respektieren ist eine sehr wichtige und bedeutungsvolle Norm.

Als eine nette Geste kann man zu Weihnachten dem/der christlichen NachbarIn oder den christlichen FreundInnen eine Freude bereiten und ihnen eine Kleinigkeit schenken oder backen. Diese Werte sollten vor allem den Kindern vermittelt werden. Statt die Kinder mit „das feiern wir nicht, das ist nicht unser Fest“ zu erziehen, wäre eine tolerante Erziehung empfehlenswert. Der Wunsch wäre daher – egal wessen Feiertag es sein mag – die Freude mit dem Nächsten zu teilen.

Auf Weihnachten trifft man auch in manchen muslimisch geprägten Ländern, wie zum Beispiel die Türkei. Weihnachtsdekorationen und Weihnachtsbäume schmücken auch dort die Straßen und Häuser, diese werden jedoch von der wahren Intention abgelöst und anlässlich des neuen Jahres dekoriert bzw. aufgestellt. Denn in der Türkei nehmen die meisten Menschen den Weihnachtsmann und den Weihnachtsbaum als ein Symbol für das neue Jahr wahr und kennen den Bezug zum eigentlichen Weihnachten nicht. Ein Gegenvergleich dazu ist bzw. war Syrien. Auch in Syrien leb(t)en verschiedenste Religionsgruppen. Vor dem Krieg, nach den Angaben eines Geflüchteten, feierten ChristInnen mit ihren muslimischen FreundInnen und NachbarInnen zusammen Weihnachten. Man teilte zwar nicht den Glühwein, denn stattdessen gab es für den muslimischen Gast einen Punsch, aber die Freude und das Fest teilte man mit ihnen. Insbesondere wurde Weihnachten in mehrheitlich christlich geprägten Gebieten gefeiert.

So kann man feststellen, dass Weihnachten auch in Ländern zu finden ist, in denen die Christen die Minderheit bilden. Ganz egal, ob Weihnachten aus nicht religiösem Interesse oder aus Liebe zu den christlichen FreundInnen (mit-)gefeiert wird, man trifft auf Weihnachten in manchen muslimisch geprägten Ländern.

Nun aber wieder zurück zu Deutschland.

In interreligiösen Dialogen sucht man oft nach Ähnlichkeiten und Unterschieden oder auch nach Ersatzmuster. Auch in Bezug auf Weihnachten taucht öfters die Frage auf, ob im Islam etwas Vergleichbares zu Weihnachten vorhanden ist. Hierbei tendieren MuslimInnen den Geburtstag des Propheten Muhammed´s (ﷺ -Friede und Segen seien mit ihm) als Vergleich zu nehmen (Mawlid an-Nebi). Hierzu muss man differenzieren, dass zum einen der Geburtstag des Propheten Muhammed (ﷺ) kein offizieller Feiertag der MuslimInnen ist – wie z.B. Ramadanfest und Annäherungsfest –  und zum anderen, dass an Mawlid an-Nebi keine Bäume aufgestellt, keine Geschenke vergeben oder keine weiteren Vorbereitungen organisiert werden. Diesen Abend verbringen die MuslimInnen in der Regel spirituell mit Gebeten und Segensprüchen. Auch versuchen sie das Leben und Wirken des Propheten (ﷺ) zu verstehen.

Auch wenn MuslimInnen Weihnachten nicht feiern, können sie dennoch ihren christlichen NachbarInnen, FreundInnen oder Bekannten gratulieren oder sie sogar beschenken. Jemanden eine Freude zu bereiten ist eine schöne Angewohnheit. Sich gegenseitig zu respektieren und zu signalisieren, dass man die Werte des Gegenübers schätzt, ist sehr wichtig für die Harmonie innerhalb der Gesellschaft. Man sagt ja, dass die Weihnachtszeit, die Zeit der Versöhnung und des Beisammenseins ist. So glaube ich fest daran, dass die gegenseitige Respektzuweisung für das Schmelzen der eisernen Wände sorgen wird. In seinem Gedicht „Wann fängt Weihnachten an?“ schildert Rolf Krenzer das gegenseitige Wertschätzen mit folgenden schönen Worten:

Wann fängt Weihnachten an?

Wenn der Schwache dem Starken die Schwäche vergibt,
wenn der Starke die Kräfte des Schwachen liebt,
wenn der Habewas mit dem Habenichts teilt,
wenn der Laute bei dem Stummen verweilt

und begreift, was der Stumme ihm sagen will,
wenn das Leise laut wird und das Laute still,
wenn das Bedeutungsvolle bedeutungslos,
das scheinbar Unwichtige wichtig und groß,
wenn Mitten im Dunkel ein winziges Licht

Geborgenheit, helles Leben verspricht,
und Du zögerst nicht, sondern Du gehst

so wie Du bist, darauf zu,
dann, ja dann fängt Weihnachten an.

In diesem Sinne wünsche ich jedem, dem Weihnachten etwas bedeutet, ein gesegnetes Fest.

Feste sind für die Gesellschaft da. Für das gesellschaftliche Miteinander, damit Versöhnungen stattfinden und Familien/Freunde die Gelegenheit finden, sich gegenseitig zu besuchen. Somit hoffe ich, dass Fremde zu Freunde werden und jeder Tag ein Festtag für diese Gesellschaft wird.

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